Was macht eigentlich die Familienpflege? Wann kommen Sie zum Einsatz?
Elke Wenzel, Einsatzleitung der Caritas-Familienpflege: "Wir springen immer dann ein, wenn der haushaltsführende Elternteil, also meist die Mutter, ausfällt. Das lässt sich meist leichter an praktischen Beispielen erklären: Wenn die Mutter ins Krankenhaus muss, steht zu Hause alles Kopf: wer bringt die Kinder in die Kita, wer kauft ein, kocht, wäscht und putzt, wer fährt die Kinder zum Fußballtraining etc.? Bei kurzen Aufenthalten können sich Eltern untereinander unterstützen, aber gerade bei langen oder schweren Erkrankungen, komplizierten Operationen, Kur- oder Reha Maßnahmen brauchen Familien Unterstützung. Aber wir kommen auch zum Einsatz, wenn die Mutter z.B. durch eine Risikoschwangerschaft eingeschränkt ist, Bettruhe halten muss oder psychisch krank und dadurch im Alltag eingeschränkt ist.
Die Einsatzfelder sind also sehr breit aufgestellt. Wir hatten Fälle, da konnten wir mit viel Vorlauf alles organisieren, weil die Mutter geplant einen Krankenhausaufenthalt antrat. Aber wir haben auch Fälle, wo wir quasi über Nacht gerufen werden, weil sich bei einer Risikoschwangerschaft Komplikationen ergeben haben und die Mutter ins Krankenhaus muss - für den Rest der Schwangerschaft. Häufig sind auch Fälle, in denen die Mutter schwer erkrankt ist. Bei Krebserkrankungen wirft die Diagnose viele Familien aus der Bahn. Folgen dann direkt Behandlungen, ist der Alltag plötzlich von der Krankheit bestimmt und Eltern können ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen.
So unterschiedlich die Gründe für einen Einsatz sind, so unterschiedlich ist daher auch der Umfang. In manchen Fällen kommen wir 2-3 wöchentlich für ein paar Stunden, weil der Rest über Partner und Familie abgedeckt werden kann, in anderen Fällen sind wir 8 Stunden täglich im Einsatz, teilweise auch am Wochenende, wenn der Partner z.B. auch dann arbeiten muss."
Das hört sich ein bisschen nach guter Fee an, die kommt und alle Probleme löst. Aber so reibungslos läuft das doch sicher nicht immer ab, oder?
Elke Wenzel: "Natürlich ist so ein Einsatz immer eine Herausforderung. Denn meist ergibt sich der Unterstützungsbedarf ja ziemlich kurzfristig. Und für die meisten ist es schwierig, jemand Fremden so nah an sich heran zu lassen. Gerade bei erkrankten Elternteilen ist es ja so, dass wir in deren Haushalt tätig sind, während sie da sind. Sie können halt einfach nur ihre Aufgaben gerade selbst nicht wahrnehmen. Das ist schon eine schwierige Situation - da zu sein und zu delegieren. Teilweise sind wir acht Stunden am Tag da, wuseln um sie herum. Aber weil wir ja ausgebildete Fachkräfte einsetzen, gelingt das meist gut. Unsere Fachkräfte sind ja eben nicht nur in Hauswirtschaft, sondern auch in Pflege und Pädagogik ausgebildet. Sie wissen also, wie man schwierige Situationen meistert und entwickeln mit den Familien Strategien, wie die Hilfe gut genutzt werden kann. Für die Mütter ergeben sich durch die Unterstützung neue Möglichkeiten: Wir übernehmen die anstrengenden Aufgaben im Haushalt und den Müttern bleibt so Zeit für das Schöne. Nach der anfänglichen Eingewöhnung wissen die Meisten das für sich sehr zu schätzen."
Von einem auf den anderen Tag in der Familie die Mutter zu ersetzen, hört sich schwierig an. Wie gelingt das?
Elke Wenzel: "Wir ersetzen ja nicht die Mutter oder den Vater. Wir übernehmen nur übergangsweise, was Eltern gerade selbst nicht leisten können. Aber dafür braucht es Fingerspitzengefühl. Jede Familie hat ja ihre eigenen Rituale. Und sei es nur so etwas Banales wie Essenszeiten - all das müssen wir erst einmal herausfinden. Denn meist ist wenig Zeit für eine Übergabe da. Was wird üblicherweise gekocht, was mögen die Kinder gerne? Bei der reinen Haushaltshilfe ist das anders: da muss man zwar auch erst einmal gucken, wo Besen und Wischer stehen, welches Waschpulver genutzt wird, aber das findet sich leichter heraus. Gerade, weil ja auch die Kinder unter der Situation leiden und angespannt sind. Sie machen sich Sorgen um ihre Mutter und merken, dass alles gerade ganz anders ist. Der Vertrauensaufbau ist da immens wichtig. Und dafür braucht es pädagogisch geschulte Fachkräfte."
Sie haben die Qualifikation eben schon einmal angesprochen. Was unterscheidet Familienpflege denn von Haushaltshilfe?
Wenzel: "Neben den rechtlichen Anspruchsgrundlagen, auf die ich jetzt nicht im Detail eingehe, geht es vor allem darum, dass Familienpflege eine eigenständige Fachausbildung ist. In der Ausbildung stehen Inhalte aus den Bereichen Pädagogik, Pflege und Hauswirtschaft auf dem Lehrplan. Denn es geht in der Familienpflege ja eben um mehr als nur um Kochen, Waschen, Putzen. Natürlich gibt es auch Einsätze, in denen die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten überwiegen, aber in der Regel kommt Familienpflege immer dann zum Einsatz, wenn eben auch die Betreuung der Kinder gesichert werden muss. Unsere Mitarbeiterinnen spielen, trösten, helfen bei den Schulaufgaben. Und dann gilt es ja auch, die ganzen Fragen und Sorgen der Kinder ernst zu nehmen und zu beantworten: warum ist Mama nicht da? Wird sie wieder gesund? Und auch die Abstimmung mit dem Vater und anderen Angehörigen erfordert pädagogisches Geschick.
Viele Dienste setzen nur Hauswirtschafterinnen ein oder Hilfskräfte, die etwa durch eigene Kinder und eigenen Haushalt Erfahrung gesammelt haben. Natürlich können auch die in vielen Fällen entlasten, aber die Qualität ist eine ganz andere."
Welchen Mehrwert bietet Familienpflege darüber hinaus?
Wenzel: "Bei uns zumindest sind auch Fahrten mit Kind oder Mutter im Leistungsangebot inbegriffen. Denn wir orientieren uns an den alltäglichen Aufgaben und dazu gehört nun einmal, die Kinder in die Kita zu bringen, Einkäufe mit den Kindern zu erledigen. Und auch für die Mütter ist es häufig wichtig, dass sie zu ihren Arztterminen gefahren werden. Dass nicht alle Dienste dies anbieten, hat vor allem Kostengründe. Denn dafür ist ein höherer Versicherungsschutz notwendig. Uns ist es wichtig, diese Leistung anzubieten, weil den Familien sonst viel Hilfestellung verloren geht. Das heißt aber auch, dass wir unsere Kostensätze immer wieder rechtfertigen und gegen günstigere Mitbewerber durchsetzen müssen."
Das hört sich nach zähen Verhandlungen an. Wie einfach kommen Familien denn zu ihrem Recht auf Familienpflege?
Wenzel: "Die Erfahrungen sind unterschiedlich - es hängt auch davon ab, welche Unterstützung die Familien brauchen: wie viele Stunden am Tag, welche Aufgaben, Alter der Kinder oder bei Krankenkasse sie versichert sind. Die Familien stehen ja in der akuten Situation unter Stress. Sich dann mit Formularen auseinander zu setzen, ist eine enorme Belastung. Viele Krankenkassen sind da entgegenkommend, aber immer wieder erleben wir Fälle, in denen Eltern sich allein gelassen fühlen, oder den Eindruck bekommen, sie sollten das doch lieber privat organisieren oder mit einer einfachen Haushaltshilfe. Bis Familien den passenden Dienst gefunden haben, müssen sie oft viel telefonieren und herumfragen. Denn die wenigsten haben vorher schon mal von dem Angebot der Familienpflege gehört. Auch viele Ärzte haben das nicht auf dem Schirm bzw. sind nicht gut mit den Diensten vernetzt. Für die Familien ist das besonders schlimm, denn durch die besondere Situation sind sie schon an ihrer Belastungsgrenze. Wir bieten daher immer auch Beratungsgespräche an und unterstützen bei den Verhandlungen. Für die Familie sollte es eigentlich gar nicht Thema werden, was die Hilfe kostet. Ausschlaggebend sollte sein, dass sie ein passendes Angebot finden. Weil die Anbieter aber so unterschiedliche Leistungen vorhalten und es keine klaren Regelungen zu Kostensätzen und Leistungsbestandteilen gibt, befinden wir uns in einer sehr verhandlungsintensiven Situation. Als Fachdienst würden wir uns da auch im Sinne der Eltern klare Regelungen wünschen."
Was können Familien tun, die sich für das Angebot interessieren?
Wenzel: "Wir informieren gerne in einem persönlichen Gespräch. Wir bemühen uns sehr, auch bei Ärzten, Kitas und Schulen auf unser Angebot aufmerksam zu machen, damit die Zugänge zur Hilfe möglichst schnell gefunden werden. Denn häufig wissen Eltern gar nicht von dieser Möglichkeit. Einfach anrufen, dann klären wir den Rest."